Freiwirtschaft - ein sozialer und freiheitlicher Ordnungsrahmen


Die Freiwirtschaftsbewegung

Die Bewegung erstrebt ein marktwirtschaftliches Ordnungssystem, was sowohl Gerechtigkeit bietet ( Ausschaltung von arbeitslosem Einkommen) und dennoch dem einzelnen größtmögliche Freiheit bewahrt. Dabei möchte man die staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsleben auf wenige wichtige Grundlagen und Gesetze reduzieren und dabei gleichzeitig den Kapitalismus beseitigen.
Kernpunkte einer freiwirtschaftlichen Reform der Wirtschaft sind:

Mit den ökonomischen Reformvorschlägen möchte man Probleme wie Wachstumszwang, Verschuldung und Arbeitslosigkeit beseitigen.

Aktuelle Texte zur Problematik des Geldsystems, der Verschuldung und der Vermögensverteilung.


Der Begründer der Bewegung - Silvio Gesell
picture of S.Gesell the founder of the Free Economy Movement

Silvio Gesell
(fotografiert von H.Schumann nach s.
Angaben etwa 1930- wars. aber um 1920)



17.03.1862 * St.Vith, Kreis Malmedy
1887 Hochzeit mit Anna Boettger in Montevideo, Uruguay
1895 Gründung der Firma Gesell  (Kartonagenfabrik/Handelsgeschäft) in Buenos Aires, Argentinien
1902 Gründung der Zeitschrift "Geldreform"  
1909 Gründung des "Physiokratischen Kampfbundes"
1915 Umzug zum Bauerngut Les Hauts-Geneveys, Schweiz
1916 Hauptwerkveröffentlichung: "Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld"
07.-13.04.1919 Volksbeauftrager für das Finanzwesen in der bayerischen Räterepublik
11.03.1930 + Eden/Oranienburg bei Berlin

Stimmen zur Freiwirtschaft und Silvio Gesell:

John Maynard Keynes:
"Der Zweck von Gesells Buch als Ganzes kann als die Aufstellung eines antimarxistischen Sozialismus beschrieben werden, eine Reaktion gegen das laissez-faire, auf theoretischen Grundlagen aufgebaut, die von jenen von Marx grundverschieden sind. Ich glaube, daß die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird Das Vorwort zu `Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld´ wird dem Leser, wenn er es nachschlägt, die moralische Höhe Gesells zeigen. Die Antwort auf den Marxismus ist nach meiner Ansicht auf den Linien dieses Vorwortes zu finden."
(Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Berlin 19, S.300)

Gesellsche Geschäft in Buenos Aires

Gesell geschaeft in Buenos Aires

Photo: © Freiwirtschaftliche Bibliothek Varel

Prof. Joachim Starbatty:
"Die Wirtschaftswissenschaft hat Silvio Gesell tiefe Einblicke in das Wesen des Geldes und des Zinses zu verdanken, jedoch ist Silvio Gesell von der nationalökonomischen Zunft immer als Sonderling betrachtet worden. Er war ja auch kein Professor - und das ist schon verdächtig. Entscheidend ist, daß die grundsätzlichen Ideen, die ordnungspolitischen Ideen von Silvio Gesell richtig und vorbildhaft sind."
(Eine kritische Würdigung der Geldordnung in Silvio Gesells utopischem Barataria, in: Fragen der Freiheit Nr. 129/1977, S.5 und 30)

Prof. Oswald Hahn:
"Silvio Gesell hat es verstanden, klar und verständlich zu schreiben - eine Gabe, die sowohl den reinen Theoretikern und Reformern wie auch machen Praktikern unserer heutigen Zeit weitgehend abgeht. Die `Natürliche Wirtschaftsordnung´ ist auch heute noch lesenswert... Gesell entwickelte geniale Konzeptionen und wurde vergessen, während die jeweiligen weniger genialen Zeitgenossen einige Generationen blendeten."
In memoriam Silvio Gesell, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Nr.6/1980, S.5

Eugen Drewermann:
"Ein anderes vielzitiertes Beispiel liefert das Experiment von Wörgl: Dort gelang es mit Hilfe eigener Geldscheine, `Arbeitsbestätigungen´ genannt, durch die Erhebung einer ´Nutzungsgebühr´ eine zinsfreie Wirtschaft zu erstellen mit dem Ergebnis, daß mitten in der Zeit wachsender Beschäftigungslosigkeit die Arbeitslosenquote um 25 Prozent innerhalb eines Jahres sank. (Das Experiment wurde nach einem Jahr abgebrochen, nicht weil es fehlgeschlagen wäre, sondern weil es zu erfolgreich war;: die Österreichische Nationalbank sah ihr Monopol gefährdet.Dabei geht es hier nicht darum, die Freigeldtheorie des Argentiniers Silvio Gesell, auf welcher das Wörgelsche Experiment basierte, ausführlich als Alternative zu den Fehlern des derzeitigen monetären Systems zu diskutieren; es genügt der Hinweis, daß eine solche Alternative möglich ist(...)"
(Jesus von Nazareth, Befreiung zum Frieden, Bd. 2, Zürich Düsseldorf, 1996; S.499)

Heinz Nixdorf:
"Silvio Gesell hat mich in meinen jungen Jahren beeindruckt"
"Die Ratlosigkeit der Politiker von heute macht die Arbeiten von Silvio Gesell immer moderner."
(in einem Brief an Tristan Abromeit, zitiert nach: Klaus Schmitt (Hg.:) Silvio Gesell der "Marx der Anarchisten, Berlin 1989, S.247)

Luise Rinser:
"Da gibt es das sogenannte Experiment Wörgl. Das muß man nachlesen, da gibt es Bücher drüber. Das Experiment ist abgewürgt worden vom österreichischen Staat...Ich würde allen raten, sich mit der Wirtschaftslehre von Silvio Gesell zu befassen."
(in einem Interview mit der Zeitschrift "info3- Sozialberichte aus der anthroposophischen Arbeit" Nr.7-8 (1985), S.8

Prof. Dr. Hans Kessler:
"Marktwirtschaft und kapitalistische Marktwirtschaft sind nicht dasselbe, und wer letztere kritisiert ist damit nicht antimarktwirtschaftlich. Das Marktprinzip läßt sich bei vernünftiger Regulierung mit Gerechtigkeit und Erhaltung der Umwelt versöhnen, der Kapitalismus kaum.
Seit den Arbeiten von Irving Fisher in den dreißiger Jahren und vieler anderer danach wird immer deutlicher: Ein entscheidemnder Knackpunkt in dem ganzen Problemknäuel von Wirtschaft-Umwelt-Umverteilung ist das System von Zins und Zinseszins. Dieses Zinseszinssystem setzt die Wirtschaft unter einen ständigen Druck zu endloser Expansion und Profitmaximierung.(...) Die Wurzel des geschilderten Übels liegt in der Fehlstruktur unseres Geldsystems und - im unkritischen Glauben an die Fehlerlosigkeit des Zinses.
"
(in: Kirche und Schule, 12 (1997))

Prof. Dr. Maurice Allais:
"Wir wollen hier ganz besonders den Bahnbrechern wie Proudhon, Walras und Silvio Gesell unsere Hochachtung bezeugen, die die größte Versöhnung von Individualismus und Kollektivismus vollbracht haben, auf der die von uns angestrebte Wirtschaftsordnung beruht."
(in: Economie et Intèrét, Paris 1947, S. 613)

Prof. Dr. Hans-Christian Binswanger:
"Gesell ist der Begründer der `Freiwirtschaftslehre´, ein ökonomischer Ousider, der jedoch von Keynes in gewissem Sinne als Vorläufer anerkannt wurde. Er wird daher auch heute vor allem als Keynesianer, ja geradezu als Hyper-Keynesianer interpretiert, d.h. als Vertreter einer schule, die im Interesse einer Krisenvermeidung einen möglichst tiefen (nominalen) Zins propagiert. Gesell hat aber auch erkannt, daß mit der Reduktion der Zinssätze ein Krisenproblem allein nicht lösbar ist. (...) Gesell schlägt deswegen als notwendiges Korrelat zur Einführung des `Freigeldes´ (...) die Einführung des `Freilandes´ vor. (...) Das Hauptwerk von Gesell trägt daher auch den Titel  `Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland (!) und Freigeld´ . Es zeigt sich, daß man nie die reale Seite der Wirtschaft - d.h. die Beanspruchung des Bodens bzw. der Ressourcen - aus dem Auge verlieren darf, selbst wenn man den monetären Faktoren die primäre Bedeutung beimißt. Das hat Gesell deutlicher erkannt als Keynes."
(in: Arbeit ohne Umweltzerstörung - Strategien einer neuen Wirtschaftspolitik, Frankfurt 1983, S.246 - 248)

Erich Mühsam:
"...Gesells theoretische Leistung ist aber mit dieser Stille um seinen Fortgang nicht abgetan, und wie bedeutungsvoll die Leistung war, wird dann erkannt werden, wenn sie in der Praxis erprobt werden wird. Gustav Landauer wußte, was er tat, als er vor elf Jahren empfahl, die Revolutionierung des Gekldwesens der Räterepublik Bayern dem an Proudhon geschulten, dabei ganz selbstständigen Denker Gesell anzuvertrauen... Silvio Gesell war ein sozialer Wegbahner von größtem geistigen Wuchs; der Spott der Börsenpraktiker und das Gelächter der Marxisten können seine Bedeutung als Vorkämpfer gerechter und freiheitlicher Gesellschaftsgestaltung nicht mindern. Die Zeit revolutionärer Verwirklichung wird dem Toten vieles abzubitten haben, was die Zeit dogmatischer Unbelehrbarkeit an dem Lebenden und damit zugleich an sich selbst gesündigt hat. Der Weg der Menschheit zur anständigen Gemeinschaft wird mit mancher Fuhre Erde aus dem Garten Silvio Gesells gestampft sein."
(Fanal Nr.7 (1930))

Das Grab von Silvio Gesell in Oranienburg

Grab von Silvio Gesell
Photo: H.-J.Werner © 1985

Prof. Irving Fisher:
"Freigeld könnte der beste Regulator der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sein, die der verwirrendste Faktor in der Stabilisierung des Preisniveaus ist....Ich bin ein bescheidener Schüler des Kaufmanns Gesell."
(in Stamp Scrimp, New York 1933, S.67 und Mail and Empire (Toronto) vom 21.11.1932)

Michael Ende:
"Der Grund für dieses verzweifelte Sichblindstellen liegt in einem Wirtschafts- und Finanzsystem, das inzwischen alle Merkmale einer veritablen Karzinombildung angenommen hat: Es muß ständig wachsen , um zu existieren. Dieses Prinzip gilt für den ehemaligen Staatskapitalismus ebenso wie für dennoch existierenden Privatkapitalismus.(...) es hat keinen Zweck, an den erschreckenden Folgesymtomen herumzuflicken: Das ganze Wirtschaftssystem muß eben geändert werden. Aber das kann man nicht, oder man will es auch gar nicht.
Ich bin überzeugt, daß die großen Wirtschaftsleute und die verantwortlichen Politiker aller Lager dieses Problem längst sehen - aber sie schweigen. Sie wagen nicht darüber öffentlichg zu sprechen. Denn eine Partei, die ernsthaft eine alternative, das heißt nichtkapitalistische Wirtschaftsform auf ihr Programm setzen würde, wäre aus mancherlei Gründen sehr schnell weg vom Fenster. Sie würde wohl nicht einmal Wähler finden. Also werden es, wie ich fürchte, die Ereignisse sein, die uns belehren.
Auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, kann man nicht sehr weit in die richtige Richtung gehen.
"
(Zettellkasten, Skizzen und Notizen, Stuttgart, Wien 1994, 275 f.)
Zum Hintergrund des satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsches:
"Denn die Tatsache, daß ein fünftel der Menschheit immer reicher und vier Fünftel immer ärmer werden, das liegt natürlich an unserer Wirtschaftsform und ganz speziell an unserem Geldwesen. Ich glaube, daß an diesem Geldsystem etwas geändert werden muß, um zu irgendeiner Art von Gleichgewicht in der Welt zu kommen..." (Interview, in: Der Dritte Weg 5 (1992), S.15f)

Prof. Dr. Dudley Dillard:
"Gesells Standort ist sowohl antiklassisch als auch antimarxistisch(...) Die Einmaligkeit der Gesellschen theoretischen Untersuchung erklärt sich aus seiner Einstellung zur Sozialreform. Nur unter der Berücksichtigung seines Allgemeinen Blickwinkels als Reformer kann seine Theorie verstanden werden.(...) In einigen wichtigen Punkten ist seine Analyse nicht voll entwickelt, aber im allgemeinen ist sein Modell einwandfrei."
(in: Gesells Monetary Theory of Social Reform, in: American Economic Review (AER) Vol. 32 (1942), S.348)
:


Gruppierungen

  1. Hans-Joachim Werner: Geschichte der Freiwirtschaftsbewegung, 100 Jahre Kampf für eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, Münster, New York 1990
  2. Helmut Creutz: Das Geld Syndrom, Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft, München 1993
  3. Margrit Kennedy: Geld ohne Zinsen und Inflation, ein Tauschmittel, das jedem dient, 1.Aufl., München 1991
  4. Stiftung für persönliche Freiheit und soziale Sicherheit, Sozialwissenschaftliche Gesellschaft 1950 e.V. (Hg.):
    Zeitschrift für Sozialökonomie , Lütjenburg  (Zu beziehen über: Gauke Verlag GmbH, Abt. Fachverlag für Sozialökonomie; Postfach 1320, D- 24319 Lütjenburg)
  5. Stiftung für Persönliche Freiheit und Soziale Sicherheit (Hg.): Gesell, Silvio: Gesammelte Werke,  div. Bd., Fachverlag für Sozialökonomie, Lütjenburg v.J., ISBN 3-87998-410-7
  6. Wolfgang Kessler (Hg.): Publik-Forum Materialmappe, Geld, Zins und Gewissen, Neue Formen im Umgang mit Geld, Oberursel 1993 (Zu beziehen über: Publik-Forum, Postfach 2010, 61410 Oberursel)



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© by H.-J.Werner Letzte Änderung am 30.06.2009