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------Dachtheater-------------

Ein rasanter Abend über das Warten


Warendorf (gl). Dienstagabend in Warendorf: Das Publikum steht vor den Türen des Dachtheaters, im Entree spielt ein Streichtrio auf. Alle warten auf den Beginn des Theaterstücks: ,,Die Schlange", frei nach Vladimir Sorokin.

Warten. Einige fremd ausse-hende Personen mischen sich unter die Menschen, später stellt sich heraus: Es sind die Schauspieler. Pünktlich um 20 Uhr werden die Türen geöffnet; leider haben nur etwa 25 Gäste den Weg ins Dachtheater gefunden, doch die erwartet ein rasanter, überraschender Abend.
So wie das Publikum vor dem Theater wartete und damit in das Stück einbezogen wurde, so formieren sich die Schauspieler auf der Bühne zu einer Schlange. Unter der Regie von Ralf Melzow begegnen sich die Wartenden, überzeugend dargestellt vom Ensemble des Deutschen Theaters Almaty (Kasachstan). Durch Übertreibung und Verdichtung wird das Schlangestehen seziert. Vor allem durch die intensive, gestisch und mimisch ausdrucksstarke Darstellung entsteht eine dichte Atmosphäre, der sich das Publikum nicht entziehen kann. Die Menschen, die in der Schlange stehen, sind uns vertraut mit ihren Träumen und Lebensarrangements, auch wenn das Stück vordergründig einen Teil des russischen Alltags thematisiert. Rangeleien um die Plätze; wer drängelt, den bestraft das erboste Geschrei der übrigen. Die Schlange ist in fortwährender Bewegung, die Anspannung der Wartenden entlädt sich immer wieder in eskalierenden Situationen.
Ob arrogant oder flirtend, ob fatalistisch ,,auf den großen Moment wartend" oder ungeduldig, das Warten verbindet die Menschen. Aus der Anonymität heraus stellen sich alle gegenseitig vor, symbolisiert in einem angedeuteten russischen Volkstanz. Mit sehr wenigen Requisiten, begleitet von einem beeindruckenden Streichtrio der Musikakademie Almaty, entsteht auf der Bühne die Eigendynamik der Schlange, Verbündung gegen ,,Eindringlinge" endet in infernalischem Chaos zwischen den Wartenden. Schließlich steht jeder für sich selbst an! Immer wieder erheben sich einzelne und tragen ihre persönlichen Träume vor Die sich windende Schlange zeigt eine anonyme Vertrautheit: So rasant wechseln Sympathie und Abneigung, dass der Zuschauer kaum Zeit hat zu folgen. So ist dieses Stück unter der Choreographie von Natasche Dubs auch ein skuriller Tanz.
Den Bewegungen der Schlange folgend, lachte und lauschte das Publikum, animiert sicherlich auch von der Bühnenaufteilung, die es erlaubte, sehr dicht am Geschehen zu sein.
Petra Faryn

Bild: Baumjohann

Holten das Theater Almaty nach Warendorf; (v.l) ,,freitag" und Alexej Davidov (Deutsches Theater Almaty) sowie Tatjana Derksen und Hans-Joachim Werner (Verein Labyrinth)

Die Glocke 14.09.2000


Anonymität weicht dem Gemeinschaftsgefühl

Deutsches Theater Almaty präsentiert "Die Schlange" im Dachtheater/ Meisterhafte Inszenierung mit viel Witz
WARENDORF
Für irgendetwas Schlange stehen, aber nicht wissen wofür. Ein Alltagsbild in Russland wird zur Grundlage eines 90-minütigen Theaterstückes des Deutschen Theaters Almaty (Kasachstan) mit dem Titel ,,Die Schlange". Die Schauspieler haben ihre Aus-bildung auf einer von Deutschland aus aufgebauten Akademie abgeschlossen und finanzieren nun ihren Lebensunterhalt mit Tourneen durch Europa. Für zwei Abende machte das Theater auch im Warendorfer TaW halt. Das Stück kam mit wenig Requisiten aus und wurde von Streichmusik untermalt. Je nach Situation melancholisch, nachdenklich oder auch fröhlich waren die Töne.
Im Mittelpunkt steht das Schlange stehen. Erst an der einen, dann auf der anderen Seite der Bühne. Eine Sache, die für alle gleich ist - zumindestens scheint es so. Obdachlose und Wohlhabende stehen gleichermaßen Schlange.
Anfangs ist alles sehr anonym. Immer wieder gibt es ein paar Dräng1er dazwischen, aber mit zunehmender Wartezeit wird es persönlicher. Gegenseitiges Bloßstellen und Schikanieren gehören genauso dazu wie Schläge und Annäherungsversuche. Immer wieder neues Anstellen be-herrscht das Programm, Wünsche werden geäußert, Träume bekannt gegeben. Es entsteht zunehmend ein Gemein-schaftsgefühl. Am Ende verabschieden sich alle ,,Bis Morgen", heißt es, Aber niemand hat etwas erreicht.

Ein ernstes Thema - mit viel Witz dargestellt und von den Schauspielern in deutscher Sprache meisterhaft vermittelt.Eigenüich ein Stück, dass mehr als nur 40 Zuschauer im Dachtheater verdient hätte...

Thomas Skerhutt

Foto: Skerhutt

Der Prozess von der Anonymität der Warteschlange zum Gemeinschaftsgefühl stand im Mittelpunkt des Stückes.

WN 14.09.2000


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